Meine lieben Wölfelsdorfer, Nachfahren und Freunde! Auf Anregung des Heimatvereins schreibe ich heute nach längerer Zeit mal wieder ein paar Zeilen aus unserem lieben Heimatdorf. Die Umstände sind nicht die einfachsten, aber wohl auch nicht viel anders als bei Euch in Deutschland. Tiefster Winter und gleichzeitig tiefste Corona-Krise.
Ja, bald jährt sich zum ersten Mal der Ausbruch der Epidemie in Europa – kaum zu glauben, dass wir nun schon ein Jahr unter diesen Ausnahmezuständen leben. Auch hierzulande sind die Zahlen sehr hoch, umgerechnet auf die Einwohnerzahl sogar höher als in Deutschland. Auch hier sind die Schulen (bis auf die ersten drei Schuljahre) geschlossen, ebenso Restaurants (Essen nur zum Mitnehmen) und Freizeiteinrichtungen, Supermärkte und Einzelhandel haben aber geöffnet (wenn auch von 10-12 nur für Senioren sowie mit Höchstkundenzahl je nach Verkaufsfläche). Die Krankenhäuser in Habelschwerdt und in Glatz-Scheibe sind zu Koronazentren umfunktioniert worden. Zum Glück sind wir aber bisher von den Rekordzahlen aufgrund der neuen Mutationen, wie sie jenseits der Grenze, in Tschechien, erreicht werden, bisher verschont geblieben. Insofern ist auch die tschechische Grenze bis auf Ausnahmefälle geschlossen, während die deutsche Grenze bisher geöffnet ist.
Ich als Lehrer fahre jeden Morgen wie üblich um 8 Uhr zur Arbeit, allerdings in eine leere Schule. Da wird nur im Klassenraum der Dienst-Laptop hochgefahren und dann geht der Online-Unterricht los. Im Gegensatz zu dem Chaos, das laut Medien an manchen deutschen Schulen herrscht, klappt hierzulande der Fernunterricht aber recht problemlos, und nur wenige Schüler nehmen nicht regelmäßig an den Unterrichtsstunden per Internet teil. Als Lehrer hat man technisch in den letzten Monaten vieles dazugelernt. Mehrarbeit bedeutet allerdings, dass die Schüler uns Lehrern nun jeden Abend ihre Hausaufgaben zuschicken sollen, die es dann zu kontrollieren gilt. Da kommen gerne mal 80 bis 100 Hausaufgaben pro Tag zusammen, und manche Schüler schicken ihre Aufgaben auch noch um Mitternacht oder morgens um 6 Uhr. Auch alle Lehrerkonferenzen finden im „virtuellen Lehrerzimmer” statt. Auf der Straße und in allen öffentlichen Gebäuden gilt natürlich, wie in Deutschland, Maskenpflicht und Versammlungsverbot (nur bis zu 5 Personen).
Leider hat die nun schon seit einem Jahr andauerne Epidemie den Nachteil, dass auch die sozialen Kontakte und kulturellen Veranstaltungen quasi zum Erliegen kommen. Offen gesagt, gehe ich seit März 2020 nicht mehr in die Wölfelsdorfer Kirche, weil allgemein in den polnischen Kirchen nicht konsequent auf Masken und Abstand geachtet wird, außerdem aus vollem Halse von der ganzen Gemeinde gesungen wird, als wenn nichts wäre, und schließlich auch noch Mundkommunion praktiziert wird. Stattdessen besuche ich, soweit sie stattfinden, die deutschsprachigen Gottesdienste des DFK Glatz, wo die Teilnehmerzahl überschaubar ist und außerdem Handkommunion praktiziert wird. Auch ist der Wölfelsdorfer Pfarrer in diesem Jahr zum ersten Mal nicht zur Weihnachtskollende durchs Dorf gegangen, entsprechend den Anweisungen des Bischofs. Das alles ist vernünftig im Sinne des Gesundheitsschutzes, dient aber nicht der Verständigung zwischen den Dorfbewohnern.
Von daher kann ich auch nicht viel berichten über irgendwelche Vorkommnisse in Wölfelsdorf. Leider sind hier in Wölfelsdorf (wie wohl auch in Deutschland) in den vergangenen Monaten überdurchschnittlich viele Menschen, insbesondere ältere Mitbewohner, an oder mit Corona verstorben (u.a. auch die älteste der Wölfelsdorfer Ordensschwestern). Auch an unserem Projekt der Renovierung der Kirchmauer ist im vergangenen Jahr praktisch nichts passiert. Unser Arbeiter hat stattdessen versucht, die Mauer auf der Seite am Schwesternhaus weiter zu renovieren, hat aber selbst diese Arbeiten noch nicht abgeschlossen. Der Pfarrer ist nicht erfreut, dass es so langsam vorangeht – hoffen wir also, dass dieses Jahr mehr Fortschritte bringt. Da ich sowieso mit der Firma aus Oberhannsdorf in Kontakt treten muss, weil im Frühjahr das Hirschfelder-Denkmal vor meiner Schule in Habelschwerdt renoviert werden soll, hoffe ich, dass ich die Arbeiter dazu bewegen kann, auch das Projekt Kirchhofmauer wieder in Angriff zu nehmen.
Ein ganz aktuelles Thema ist das Wölfelsdorfer Schloss. Der Heimatverein hat mich vor wenigen Tagen kontaktiert und mir mitgeteilt, dass sich der in Spanien wohnhafte Enkel des Grafen von Althann bei ihm gemeldet und nachgefragt hat, wer denn der heutige Besitzer des Schlosses sei (s. Eintrag im Gästebuch). Jeder, der in letzter Zeit in Wölfelsdorf zu Besuch war, weiß, in welch lamentablem Zustand sich die Schlossruine befindet. Wie schön wäre es, wenn sich doch noch eines Tages jemand des Gebäudes annehmen und es vor dem vollständigen Verfall retten könnte. Erst heute (am 12.2.2021) habe ich mit Pfarrer Marian Prochera darüber gesprochen, und auch ihm läge viel daran, wenn es mit dem Schloss wieder bergauf ginge. Er würde sich auch gegenüber der Gemeinde dafür einsetzen und bei der Beschaffung von Geldern aus EU-Fonds, Stiftungen u.Ä. behilflich sein, falls es einen neuen Besitzer gäbe. Nur zur Aufklärung: Das Schloss ist in den frühen 1990er Jahren mit Mitteln des Denkmalschutzamtes notdürftig repariert worden, durch das Jahrhunderthochwasser 1997 aber erneut schwer in Mitleidenschaft gezogen und deswegen 1997 an einen Privatmann verkauft worden, mit der Auflage, sich der Konservierung des Gebäudes anzunehmen. Passiert ist aber seitdem nichts, im Gegenteil, selbst die notdürftigen Konservierungsmaßnahmen (statische Absicherung, Bedachung) sind vernachlässigt worden, so dass heute immer mehr Verfall sichtbar ist und es sogar zu Plünderungen kommt. Es wäre also höchste Zeit, etwas zu unternehmen, und laut Pfarrer ist auch die Gemeinde Habelschwerdt bereit, das Schloss einem neuen Besitzer zu übergeben, wenn dieser sich bereit erklärt, zum Erhalt des Gebäudes beizutragen. Ob sich vielleicht auf Seiten der Familie Althann jemand beteiligen würde? Das würde der Sache sicherlich Auftrieb verleihen. Aber ob das realistisch ist, wird die Zukunft erst zeigen. Für Ideen und Vorschläge sind wir vor Ort jederzeit offen!
Wie dem auch sei, ich habe mich heute trotz Schneetreibens daran gemacht und einige Winterfotos von Wölfelsdorf geschossen, unter anderem vom Schloss und auch von unserer (im Winterschlaf befindlichen) Friedenslinde. Ich hoffe, der/die eine oder andere findet Freude daran und bekommt vielleicht auch Lust, im Sommer (wenn die Umstände hoffentlich wieder besser sind) wieder einmal persönlich nach Wölfelsdorf zu kommen.
In diesem Sinne grüße ich ganz herzlich aus unserem Wölfelsdorf und würde mich auch über Rückmeldungen sehr freuen. Bleibt alle gesund und ei Goot’s Nooma,
der eingeschneite „Neu-Wölfelsdorfer”,
Heinz-Peter Keuten (Fam. Lux/Veit)