Aus den Erinnerungen und Tagebüchern unserer Vertreibung
Am Sonntag, den 1.9.1946 haben wir die Nacht in Kohlfurt verbracht und sollten den ganzen Sonntag dort bleiben. Ich kann mich nur daran erinnern, dass wir mit weißem Pulver desinfiziert wurden. Wie ich später erfuhr, wurden alle Zuginsassen außerdem registriert.
„Ich muss an meinen (damals) 72-jährigen Opa denken. Er war begeisterter Trompetenspieler. Ein Foto, das Anfang der 1920-er Jahre entstanden ist, zeigt ihn mit vier weiteren Wölfelsdorfer Musikanten. Sie spielten auf Prozessionen und auf der Kirmes, die jedes Jahr groß gefeiert wurde. Als es hieß, wir sollen das Nötigste einpacken, dachte mein Opa an seine geliebte Trompete. Er wickelte sie sorgfältig in die Kleidung ein und versteckte sie in meinen Puppenwagen. Mich, ein siebenjähriges Mädchen, hatte man nicht so genau kontrolliert und so konnte mein Opa die Trompete mit in den Wagon nehmen.
Die Trompete überlebte die lange Zugfahrt nahezu unbeschadet. Ich erfuhr später von ihrer Geschichte und besitze sie noch heute. Obwohl sie keinen harmonischen Ton mehr von sich gibt, ist sie eine schöne Erinnerung an meinen Opa und meine alte Heimat in Wölfelsdorf.“
Eine weitere, damals zweijährige Augenzeugin berichtet von Erzählungen ihrer Mutter: „Meine Mutter musste sich erst wenige Tage vor der Vertreibung einer Gallenoperation unterziehen. Im Krankenhaus der Kreisstadt Habelschwerdt erfuhr sie voller Angst von der bevorstehenden Reise. Sie war Mutter von vier Kindern im Alter von 2 bis 9 Jahren, ihr Ehemann in Kriegsgefangenschaft. Im Krankenhaus lernte sie eine Krankenschwester kennen, die ihr versprach, ihr in Mittelwalde am Bahnhof bei zu stehen. Und tatsächlich, sie war dort und sorgte dafür, dass meine geschwächte Mutter ohne Kontrolle durchgewunken wurde. Der Kinderwagen, in dem ich saß, ermöglichte meiner Mutter, mehr Proviant zu transportieren. Ohne die Hilfe der polnisch sprechenden Krankenschwester, wäre der Kinderwagen wahrscheinlich nicht durch die Kontrolle gekommen.“