Aus den Erinnerungen und Tagebüchern unserer Vertreibung
„Wir sind angekommen und dürfen ein Zimmer in einem Haus an der Wabrichstraße bewohnen. Wir Kinder im Schulalter wurden wenige Tage später in der Volksschule eingeschult. Die ersten Tage und Wochen dort waren nicht leicht. Ich erinnere mich an die Schulspeisen, die wir bekamen, aber auch, dass wir zuerst sehr skeptisch betrachtet wurden.
Es dauerte eine Weile, bis wir neue Spielkameraden fanden“, erinnert sich eine Zeitzeugin. „Nach der Schule gingen wir oft in den Wald, um Holz oder Tannenzapfen für ein wärmendes Feuer zu suchen. Wir fanden neue „Spielplätze“, z. B. auf dem Hachenberg und leckere Beeren und Steinpilze in den Wäldern. Ich erinnere mich an einen überaus erfolgreichen Blaubeerfund, den ich zusammen mit meinem Bruder bei Lützel machte. Abends bereitete unsere Mutter eine herrliche Blaubeertunke und bekam kurz darauf einen großen Schrecken, als sie erfuhr, dass wir auf dem (munitionsverseuchten) Muna-Gelände gesucht hatten!
Mein älterer Bruder trat nach etwa drei Jahren dem Turn- und Sportverein bei, wo er bis in der „Alte Herren“-Mannschaft aktiv Fußball spielte. Auch wir Jüngeren fanden mehr und mehr Freunde und standen im Herbst zusammen mit den Erndtebrücker Kindern auf den Kartoffeläckern, um die Erdäpfel aus der Erde zu holen und uns einen kleinen Wintervorrat zu verdienen.
Nach ein bis zwei Jahren kam Vater aus der Kriegsgefangenschaft zurück und wenig später bekamen wir eine etwas größere „Wohnung“ zugewiesen.“ Eine weitere Zeitzeugin erinnert sich an den damaligen Amtsdirektor Wörster, dem einige Vertriebene viel zu verdanken haben und der aus heutiger Sicht als erster Integrationshelfer bezeichnet werden kann: „Herr Wörster riet uns nach ca. 8 Jahren, Land zu kaufen und zu bauen. ‚Ihr müsst jetzt bauen und euch ein neues Zuhause aufbauen‘, sagte er.
Dies war der Moment, als ich Großmutter Philomena das erste und einzige Mal traurig erlebt habe. Ich höre sie noch heute sagen: Wenn ihr baut, werden wir nicht mehr nach Wölfelsdorf zurück gehen! Unsere Eltern und Großeltern hatten sehr lange die Hoffnung, nach Wölfelsdorf zurück zu kehren.“ Eine Hoffnung, die sich erst in etwa 25 Jahren bewahrheiten sollte. Bis dahin suchten viele Trost in ihrem Glauben und fanden im Missionshaus einen Ort für gemeinsame Gottesdienste.
Nach 1946 kamen weitere Katholiken nach Erndtebrück und bauten schon wenige Jahre später die Christus-König Kirche. Später erfuhren wir, dass im September 1946 weitere Transporte für Wölfelsdorfer in Mittelwalde zusammengestellt wurden. Diese Züge endeten alle in der sowjetischen Besatzungszone, der späteren DDR.