29.8.1946

Aus den Erinnerungen und Tagebüchern unserer Vertreibung

Am Donnerstag, den 29.8.1946 mussten wir unser Gepäck zusammenpacken. Wir trafen mit den anderen Dorfbewohnern zusammen und mussten bis nach Mittelwalde gehen. Wölfelsdorf ist ein ca. 10 km langes Straßendorf in der Grafschaft Glatz. Die Grafschaft Glatz ist in allen Himmelsrichtungen von Gebirgsketten umringt und grenzt im Süden an die Tschechei. Deshalb wurde die Grafschaft wahrscheinlich vor Kriegshandlungen verschont.

Wölfelsdorf hatte etwa 2500 Einwohner und bis nach Mittelwalde waren es ca. 13 km. In Mittelwalde war eine Bahnstation und einer der Sammelpunkte. Wir packten unser Gepäck in Rücksäcke und auf Handkarren, zum Teil auch auf Fuhrwerke. Ältere und Gehbehinderte durften auf den Fuhrwerken mitfahren. Der Weg war für uns Kinder sehr weit. Drei bis vier Stunden waren wir bestimmt unterwegs und wir hatten jetzt schon Hunger. Wir gingen durch endlose Kornfelder und blickten ein letztes Mal auf die Wallfahrtskirche „Maria Schnee“. Sie stand oben auf dem Spitzigen Berg und schaute auf uns herab; so, als wolle sie uns sagen: „Es wird alles gut, ich passe auf euch auf.“

Die Wallfahrtskirche „Maria Schnee“ auf einer alten Postkarte

Auf dem Güterbahnhof in Mittelwalde waren sehr viele Menschen. Wir mussten aufpassen, dass wir in dem Getümmel nicht verloren gingen. Aber noch viel mehr Sorgen hatten unsere Mütter, die auf uns Kinder aufpassen mussten. Unsere jüngeren Geschwister saßen teilweise noch in einem Kinderwagen oder mussten getragen werden. Zum Glück half man sich gegenseitig und zum Glück ging keiner von uns verloren. Am Abend suchte sich jeder einen Schlafplatz. Die zweite ungewisse Nacht brach herein; keiner von uns wusste, wie es morgen weitergeht.